Das Klima der Zukunft im Ostallgäu: +4 °C bis 2100?
Das Klima der Zukunft im Ostallgäu*: +4 °C bis 2100?
*zusammengefasste Landkreise Ostallgäu-Kaufbeuren-Unterallgäu-Memmingen
Mit Hilfe von Klimaprojektionen können Aussagen über die Entwicklung von Temperatur und Niederschlag in der Zukunft getroffen werden. Dafür werden unterschiedliche Szenarien für die Emission von Treibhausgasen herangezogen.
Die mittlere Jahrestemperatur in den Landkreisen Ostallgäu-Kaufbeuren-Unterallgäu-Memmingen lag im Referenzzeitraum 1971 – 2000 bei 7,5 °C. Werden in Zukunft, wie im sogenannten RCP8.5-Szenario („ohne Klimaschutz“) angenommen, Treibhausgase weiterhin ungebremst ausgestoßen, kann die mittlere Jahrestemperatur bis gegen Mitte des Jahrhunderts (2041 – 2070) auf 9,8 °C (+2,3 °C) bzw. gegen Ende des Jahrhunderts (2071 – 2100) sogar auf 11,5 °C (+4,0 °C) ansteigen.

Quelle: DWD (Daten), GreenAdapt (Grafik); Idee: Ed Hawkins
Wenn wir jetzt handeln und weltweit umfassende Klimaschutzmaßnahmen umgesetzt werden, um die Treibhausgasemissionen entsprechend dem Pariser Klimaabkommen im globalen Mittel auf deutlich unter 2 °C einzuschränken (RCP2.6-Szenario: 2 °C-Obergrenze), kann die Temperaturerhöhung deutlich beschränkt und langfristig stabilisiert werden (+1,2 °C gegen Mitte des Jahrhunderts bzw. +1,1 °C gegen Ende des Jahrhunderts im Vergleich zum Referenzzeitraum 1971 – 2000).
Der Treibhauseffekt
Treibhausgase in der Atmosphäre wie Kohlendioxid, Methan oder Lachgas machen ein Leben auf der Erde überhaupt erst möglich.
Sie lassen die einfallende Sonnenstrahlung fast komplett bis zur Erdoberfläche durch, von der sie als Wärmestrahlung reflektiert wird. Diese Wärmestrahlung wird allerdings von den Treibhausgasen – wie durch das Glas eines Treibhauses – teilweise zurückgehalten und bleibt in der Atmosphäre. Durch diesen Treibhauseffekt beträgt die weltweite Durchschnittstemperatur rund 15°C. Ohne diesen natürlichen Treibhauseffekt hätten wir auf der Erde im Durchschnitt nur lebensfeindliche -18°C. Je höher die Konzentration an Treibhausgasen in der Atmosphäre ist, desto stärker wird die Wärmestrahlung zurückgehalten.
Interview: Wie bewegen wir uns in Zukunft fort?
Wie bewegen wir uns in Zukunft fort?
Interview mit Energieforscher Christoph Bertram
Zu Fuß, per Rad, mit den Öffis, im Auto oder Flugzeug – jeden Tag entscheiden wir, wie wir uns fortbewegen. Für die Zukunft gilt es, klimafreundliche Konzepte und Reiseformen zu finden.
Christoph Bertram, Energieforscher am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung erzählt im Interview, wie nachhaltige Mobilität gelingen kann.
Was zeichnet sich ab? Fahren wir in Zukunft noch Auto?
Der Pkw wird weiterhin eine Rolle spielen, je ländlicher die Gegend und je größer die Distanzen, umso mehr. Immer mehr Autos laufen elektrisch. Die Auswahl an deutschen Anbietern von E-Autos wird zunehmend größer – so wird die Verbindung zur lokalen Industrie gelingen. Im ländlichen Raum ist es darüber hinaus eine günstige Option, Autos mit Sonnenenergie vom eigenen Dach zu laden. So werden E-Fahrzeuge mehr und mehr unser Straßenbild prägen. Gleichzeitig sollten wir schon allein aus Gesundheitsaspekten wieder mehr Wege auch zu Fuß und per Rad zurücklegen. Elektroräder sind für viele Menschen eine aktive und angenehme Form der Fortbewegung geworden – für kurze Strecken, für Besuche oder um einzukaufen.
Weitere Trends?
Aktuell wird es den Verbraucher:innen nicht einfach gemacht, eine Vielzahl von Angeboten gleichzeitig zu nutzen. Dennoch: Der Markt für gemischte Mobilitätsnutzer:innen wird größer. Es kommt zu individuellen Mobilitätsprofilen und Kombis aus E-Bike, ÖPNV, Carsharing etc. Neue Autos werden in vielerlei Fällen per App, also ohne Schlüssel zugänglich sein … das vereinfacht die Nutzung mit mehreren Leuten.
Carsharing ist doch eher was für die Stadt, oder?
Tatsächlich scheitern Carsharing-Angebote im ländlichen Raum momentan noch häufig, schlicht weil die kritische Masse an Nutzer:innen fehlt. Mit der fortschreitenden Digitalisierung und Elektrifizierung von Pkw wird das aber in Zukunft wirtschaftlich attraktiver und auch einfacher möglich sein.
Was bedeutet nachhaltige Mobilität?
Mobilität ist nachhaltig, wenn alle Stoffströme im Kreislauf stattfinden können, sprich: Treibstoffe, bzw. die Antriebsenergie, aus regenerativen Energien stammen und die eingesetzten Rohstoffe technisch wieder aufbereitbar sind, um sie erneut zu verwenden. Eine Kreislaufwirtschaft ist aktuell auch mit E-Autos noch nicht vollständig realisierbar. Sie geben aber grundsätzlich die Möglichkeit dazu – im Gegensatz zu Verbrennungsfahrzeugen, die prinzipiell Rohstoffe verbrauchen.
Darüber hinaus muss man den Begriff Nachhaltigkeit breiter betrachten und sehen, was Fremdauswirkungen sind: Ist die Lärmbelästigung in angemessenem Rahmen? Sind Platzbedarf und Nutzung im Einklang?
… die Produktion von Batterien für E-Autos kann nachhaltig sein?!
Ein Hauptproblem sind hier die Abbaubedingungen für importierte Rohstoffe aus bestimmten Ländern. Diese sind aber nicht exklusiv für die E-Mobilität Thema, sondern auch für Computer, Baustoffe etc. Hier wären Vorgaben vom Gesetzgeber wichtig – bezüglich Dokumentation und Aufbereitung. Die EU ist da am Voranschreiten. Doch im Moment interessiert ein Wiederverwerten nicht, weil selbst begrenzt verfügbare Rohstoffe noch viel zu billig sind. Auf lange Sicht muss, wer ein E-Auto fertigt, auch die vollständige Dokumentation der Rohstoffe bieten – plus ein Konzept zur Wiederaufbereitung und Rückführung der Batterie und aller verwendeten Stoffe.

» Ein Transatlantikflug ist nachhaltig nur alle zehn Jahre drin. «
Was ist mit Wasserstoff als Treibstoff?
Wasserstoff arbeitet effizienter als ein Verbrennungsmotor, aber nicht so effizient wie Batterien. Außerdem ist Strom – ähnlich den jetzigen Tankstellen – flächendeckend verfügbar und man kann jederzeit laden. Ein dichtes Netz aus Wasserstoff-Tankstellen ist dagegen extrem teuer und kaum denkbar. Auch für Lkw spricht daher immer mehr die Batterie als der Wasserstoff.
Wie sieht’s mit Flugreisen aus?
Flugverkehr wird auf jeden Fall teurer werden müssen. Die aktuellen Preise spiegeln nicht wieder, was an Kosten und Umweltschäden verursacht werden, und man zahlt auch kaum Steuern. Reisende werden bei angepassten Preisen auch ihre Flugreisen wieder bewusster planen – das bedeutet z. B. mehr Beschäftigung mit dem Reiseland oder der Stadt und längere Zeiträume am Zielort.
Eine vierköpfige Familie möchte in den Urlaub fliegen. Wie oft wäre verträglich?
Hier können wir mit 1.000 km pro Jahr pro Kopf als global gerechten und nachhaltigen Durchschnitt weiterüberlegen: Nachhaltig wäre demnach alle drei bis vier Jahre eine Flugreise innerhalb Europas. Alternativ ist ein Transatlantikflug nachhaltig nur alle zehn Jahre drin.
Es spricht vieles dafür, dass sich die E-Autos komplett durchsetzen und nach und nach andere verdrängen. Die Menschen werden sich zunehmend in persönlichen Mobilitätsprofilen bewegen und gemäß ihres Bedarfs und ihrer Gewohnheiten Bewegungsformen kombinieren und Fahrzeuge teilen. Fliegen muss und wird wieder eine höhere Wertschätzung zukommen, auch in Form der Kosten. So werden Flugreisen weniger und bewusster genutzt werden.
Was kann ich tun?
Durchschnittlich steht ein Auto 90 Prozent der Zeit geparkt da, oft entspricht die Größe des Autos nicht dem Bedarf, Flugreisen sind häufig zu kurz …
Hier einige Ideen für nachhaltige Mobilität:
- Kurze Strecken zu Fuß, mit Fahrrad/E-Bike
- Auto: klein statt groß, eins statt zwei
- Autos gemeinsam nutzen
- innerdeutsche Strecken mit dem Zug reisen
- Flugreisen bewusster planen, länger bleiben

Regionaler Klimaschutz
So wird's was!
Der Landkreis Ostallgäu engagiert sich in vielfältiger Weise für den regionalen Klimaschutz – wir zeigen drei Beispiele

Das Klima-Plus von Torfmoos – es kann richtig viel Wasser speichern.
Die Allgäuer Moorallianz
Eine Chance für die Moore im Ostallgäu und ein aktiver Beitrag zum Arten- und Klimaschutz. Für das Naturschutzgroßprojekt „Allgäuer Moorallianz“ haben sich die Landkreise Ost- und Oberallgäu zusammengeschlossen mit dem Ziel, die Allgäuer Moorlandschaften wiederherzustellen und zu erhalten. Seit 2012 betreibt der Zweckverband Moorschutz in einem Gebiet, welches sich über die Moore im Alpenvorland etwas westlich der Iller bis an den Rand des Ammergebirges östlich des Lechs erstreckt. In den fünf Kerngebieten des Projekts befinden sich auf rund 14.000 Hektar bundesweit bedeutsame Moorlandschaften, in denen hydrologisch wirksame oder biotopverbessernde Maßnahmen durchgeführt und Flächen angekauft werden können.
Kontakt
Ansprechpartnerin im Projektbüro mit Sitz im Landratsamt Ostallgäu: Simone Reylaender
E-Mail: moorallianz@lra-oal.bayern.de
Tel.: 08342/911-432.
Mehr unter: www.moorallianz.de

Aus den Rohrkolben Typha lassen sich ökologische Bau- und Dämmstoffe fertigen.
Das KLIP-Projekt
„Klimafreundliche Landnutzung auf organischen Böden im Ostallgäu“. Ein Schwerpunkt des vielseitigen KLIP-Projekts ist es, neue Verwertungsmöglichkeiten für Erzeugnisse aus dem „Mooranbau“ aufzubauen – so auch:
- Bau- und Dämmstoffe aus Biomasse – in Kooperation mit Typha-Technik und dem Fraunhofer Institut: Aus Rohrkolben (Typha angustifolia) lassen sich moderne Baustoffe mit hervorragenden bauphysikalischen Eigenschaften herstellen. Sie sind vollständig recycelbar (kompostierbar). Aktuell laufen Zulassungsverfahren für einen Versuchsanbau im Landkreis Ostallgäu.
- HMF (Hydroxymethylfurfural) – in Kooperation mit der Uni Hohenheim und dem Greifswald MoorCentrum. HMF ist eine Plattform-Chemikalie, die aus einjähriger Biomasse hergestellt wird. Aus dieser wiederum können moderne recycelbare Biokunststoffe entstehen. Hierfür lassen sich Streueflächen wirtschaftlich nutzen.
Kontakt
Ansprechpartner im Landratsamt Ostallgäu: Thomas Süß
E-Mail: thomas.suess@lra-oal.bayern.de
Tel.: 08342/911-193

Bereits 2000 wurden die ersten Bürgerwindkraftanlagen in Wildpoldsried gebaut. Mittlerweile stehen 11 auf dem Höhenrücken zwischen Ober- und Ostallgäu.
Bündnis klimaneutrales Allgäu 2030
Das Bündnis klimaneutrales Allgäu setzt sich zusammen aus Unternehmen, Kommunen und Institutionen, die sich dazu verpflichten, schrittweise bis spätestens zum Jahr 2030 klimaneutral zu werden. Der Schwerpunkt liegt zunächst auf der Reduktion der eigenen CO2-Emissionen durch mehr Energieeffizienz und den vermehrten Einsatz erneuerbarer Energien vor Ort. Der Landkreis Ostallgäu ist Gründungsmitglied des Bündnisses.
Das Bündnis steht für:
- ernst gemeinten Klimaschutz
- Vorbildrolle für weitere Unternehmen und Kommunen
- Reduktion vermeidbarer Emissionen
- Kompensation durch hochwertige Zertifikate
- Unterstützung internationaler Klimaschutzprojekte und Förderung regionaler Projekte
Mehr unter: www.buendnis-klimaneutrales-allgaeu.de
Interview mit Prof. Dr. Harald Lesch
»Wenn wir nicht schnell genug sind, kippt das Klima weg!«
Interview mit Prof. Dr. Harald Lesch
Klimaschutz geht alle an. Doch: Wie viel Zeit bleibt uns noch? Was genau ist zu tun? In welcher Reihenfolge? Und von wem? Warum geht das alles so schleppend? Wir trafen den Astrophysiker und Klima-Experten Prof. Lesch im April 2021 in München zu einem Gespräch und fragten ihn in Sachen Klimawandel nach dem Stand der Dinge, nach Handlungsoptionen und der Dringlichkeit …
Herr Prof. Lesch, ganz konkret: Wo stehen wir heute?
Wir stehen an einer Wegkreuzung: Wenn wir nicht schnell genug sind bei der Reduktion der Treibhausgase, dann kippt das Klima weg! Das gilt nicht nur für Bayern, das gilt für Deutschland, für Europa, für die ganze Welt. Wir sehen an allen möglichen Indikatoren, dass es wirklich ganz ganz dringend ist, JETZT die Richtung zu wechseln.
Ist das Zwei-Grad-Ziel überhaupt noch zu schaffen?
Es gibt eine Reihe von Extrapolationskurven, die zeigen, wie viel Kohlenstoff wir überhaupt noch in die Atmosphäre entlassen dürfen. Inzwischen sind wir so weit, dass es einen ziemlich radikalen Schnitt braucht: Wir müssen richtig heftig runter mit der CO2-Emission, weil u. a. die natürlichen Kohlenstoff-Kreisläufe durch die allgemeine globale Erwärmung schon so angeregt sind, dass wir immer schneller und schneller sparen müssen. Aber: Ja, es geht noch! Noch hätten wir die Möglichkeit, es zu schaffen.
Wie viel Zeit bleibt uns noch?
Eine Dekade. Entweder wir kriegen es jetzt und in den nächsten zehn Jahren hin, oder es ist vorbei. Danach bleibt uns so wenig Zeit, dass wir es praktisch überhaupt nicht mehr schaffen können.
… was sind die zentralen Stellschrauben?
Das Allerwichtigste ist, so schnell wie möglich aus den fossilen Ressourcen rauszukommen und so viel wie möglich erneuerbare Energie zu haben. Der gesamte Energieverbrauch in Deutschland reguliert sich über die Mobilität, über die Industrie, über die Haushalte und vor allen Dingen auch über die Wärme für die Häuser. Hier in Zukunft Strom einzusetzen aus erneuerbaren Quellen, das ist ganz ganz wichtig. Was die gesamte Energiemenge in Deutschland betrifft, sind die erneuerbaren Energien aktuell gerade mal ein Fünftel, das heißt: Wir haben noch nicht mal richtig angefangen!
Oftmals scheint es, als haben die Politik und auch Teile der Wirtschaft verstanden, was auf dem Spiel steht. Wer bremst und warum?
Es gibt auf jeden Fall eine ganz deutliche Äußerung von sehr weiten Teilen der Politik und auch der Industrie nach dem Motto: Wir haben verstanden. Aber aus dem „verstanden“ alleine folgt offenbar noch keine Handlung. Wir müssten viel schneller auf der Energieangebotsseite sein. Wenn erneuerbare Energien zu einem vernünftigen Preis angeboten werden können – wettbewerbskonform, ohne dass irgendjemand bevorzugt wird – dann würde es klappen.

„Was für Spielräume hinterlassen wir eigentlich unseren Kindern, unseren Enkelkindern?“
Jüngst kam die Meldung vom Verfassungsgericht, dass das Deutsche Klimagesetz in Teilen verfassungswidrig sei. Wie schätzen Sie diese Entwicklung ein?
Also erst mal find ich’s großartig, dass so Begriffe wie Generationengerechtigkeit auf einmal in der Debatte sind. Das halte ich für extrem wichtig für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft, dass wir aus dem Jetzt auch über die Zukunft nachdenken: Was für Spielräume hinterlassen wir unseren Kindern, unseren Enkelkindern, wenn wir so weitermachen wie bisher?
Ich muss sagen, ich hätte nicht damit gerechnet, dass das Verfassungsgericht das in dieser Deutlichkeit formuliert. Ich glaube, dass es jetzt ganz schwer wird für alle diejenigen, die meinen „ach komm, so schlimm ist das doch alles nicht mit dem Klimawandel, da machen wir erst mal die Klimaziele für 2030 und dann gucken wir mal weiter“. Nein, jetzt muss konkret angesagt werden, was soll nach 2030 passieren. Jetzt müssen wir uns hinsetzen und müssen einen Plan machen, eine Liste mit den Maßnahmen, die notwendig sind.
Also ein echter Meilenstein?
Ja, das ist ein historisches Urteil. Das Verfassungsgericht hat sich zum Thema Klimaschutz so noch nie geäußert. Und dass es auch praktisch herausgefordert worden ist durch diejenigen, die sich da beklagt haben. Da sind vor allen Dingen auch viele junge Leute dabei – ein gutes Viertel, vielleicht ein Drittel hängt mit Fridays for Future zusammen. Diese Bewegung hat es wirklich geschafft, jetzt in den Gerichten Recht zu bekommen.
Was können wir jetzt schon nicht mehr verhindern?
Von der bayerischen Perspektive ausgeheng, ist das erste klare Bild, dass die Gletscher in den Alpen verschwinden werden. Wir werden eine ganze Reihe von schweren Extremwetterereignissen hinter uns gebracht haben und sicherlich mit Klimaanpassungsmaßnahmen zu tun haben: Diese betreffen den Hochwasserschutz, immer häufiger werden wir aber auch mit Waldbränden zu tun haben. Da werden wir unsere Freiwilligen- und Berufsfeuerwehren ausbauen müssen. Wir werden damit umgehen müssen, dass wir über längere Zeit Dürren haben, die unsere landwirtschaftliche Versorgung durchaus kritisch werden lassen. Unser Grundwasserspiegel sinkt – nicht in allen Teilen von Bayern, aber zum Beispiel im Norden von Bayern.
Und in der Zwischenzeit werden wir erneuerbare Energien ausbauen. Wir werden deutlich mehr Elektromobilität auf den Straßen haben, wobei wir nicht alle Autos, die Verbrenner sind, in Zukunft durch Elektroautos ersetzen werden. Wir werden weniger Autos haben und hoffentlich in der Fläche ein ziemlich gutes öffentliches Verkehrsnetz mit elektrischen Bussen, die digital organisiert sind.
Summa summarum würde ich denken, dass wir uns daran gewöhnt haben, dass es über längere Zeit sehr heiße Sommer geben wird, was natürlich auch die Gesundheitssituation vieler Menschen in Deutschland beeinflussen wird. Wie reagieren Krankenhäuser darauf, wie der medizinische Sektor überhaupt? … auch da wird es Veränderungen geben. Wir werden in Deutschland neue Allergien sehen und durch Pflanzen aus dem Süden eine ganz neue Pollensituation haben. … ich befürchte, dass wir spannenden Zeiten entgegengehen.
Was können die Menschen in Bayern ganz konkret und sofort in ihrem Alltag ändern und umsetzen, was tatsächlich sinnvoll ist?
Natürlich kann ich mir jeden Tag den Kopf darüber zerbrechen, was ich alles tun könnte – kalt duschen und andere Sparmaßnahmen … Aber das ist nicht der Punkt. Das Allerwichtigste ist tatsächlich, kampagnenfähige Begriffe zu entwickeln, damit auf die Straße zu gehen und die Politik dazu zu bringen, genau die Rahmenbedingungen zu schaffen, innerhalb derer wir ganz automatisch das Richtige tun.
„Einen klaren Willen zum Klimaschutz drückt keine schweigende Mehrheit aus.“
Wir alle müssen unseren gewählten Repräsentantinnen und Repräsentanten klarmachen: „Wir wollen eine ordentliche Klimaschutzpolitik, die ökologisch gut nachhaltig ist. Nehmt das ernst, ansonsten werden wir euch bei der nächsten Wahl schlicht und ergreifend nicht mehr wählen.“
Es muss deutlich sein, dass der Souverän – und das sind wir alle – einen klaren Willen zum Klimaschutz hat. Und diesen Willen, den drückt keine schweigende Mehrheit aus … die schweigt nämlich, sondern sie muss sich bemerkbar machen. Und in diesem Sinne ist politischer Aktivismus hier eigentlich erste Bürger:innenpflicht!

Professor Dr. Harald Lesch
ist Astrophysiker, Naturphilosoph sowie Wissenschaftsjournalist und vielen bekannt als Moderator der ZDF-Wissenschaftsreihe Leschs Kosmos. Er ist Professor für Physik an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Lehrbeauftragter für Naturphilosophie an der Hochschule für Philosophie München.
Das gesamte Interview mit Prof. Lesch sowie weitere spannende Gastbeiträge und Interviews lesen Sie im Programmheft zur Klima-Aktionswoche Ostallgäu/Forchheim.